VOICES FROM A BLACK KITCHEN
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Das Yin im Yang - von Lennora Esi

6/19/2018

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​Sonntag, 6 Uhr früh in der U-Bahn in Hamburg. Ich sitze im Viererabteil auf dem Weg zum Hauptbahnhof und lese mein Buch. Drei junge Frauen, um die 18 oder 19, vielleicht Anfang 20, steigen ein und lassen sich auf die freien Plätze neben und gegenüber von mir fallen. Ihren müden, pinken Gesichtern und der Alkoholfahne nach zu urteilen, sind sie auf dem Heimweg nach einer durchzechten Nacht.
Das süße, braunhaarige Mädchen mir gegenüber schließt die Augen und legt ihren Kopf auf die Schulter des großen Mädchens neben ihr. Das lässige Mädchen, das neben mir sitzt, lehnt sich in ihrem Sitz zurück. Sie beginnt, zu sprechen. Ihre Stimme klingt tief und rauh: „Was hat er denn gesagt?“ Das süße Mädchen wirft ihr einen traurigen, betrunkenen Blick zu. „Oh mann, voll blöd,“ sagt das lässige Mädchen. „Wir dachten alle, dass da mehr zwischen euch läuft.“ „Das dachte ich auch,“ murmelt das süße Mädchen kaum hörbar. „Vielleicht braucht er mehr Zeit?“ meint die Große mit der pinken Brille. „Nein,“ die Lässige schüttelt den Kopf, „ich hab mit ihm geschrieben. Er sagt, es tut ihm Leid. Er fühlt sich richtig schlecht, dass er dich verletzt hat. Er wusste nicht, dass du Gefühle für ihn hast. Er dachte, es wäre nur körperlich.“ Das süße Mädchen schnaubt verbittert und die Große sagt genervt: „So sind sie halt, die Männer. So denken die.“ „Es war einfach ein Missverständnis,“ sagt das lässige Mädchen mit einem Schulterzucken.

Wenn ich jedes Mal, da eine meiner Freundinnen sagt: „So sind sie halt, die Männer!“ einen Groschen bekäme ...
Es stimmt, wir lieben es, über Jungs zu sprechen. Ob wir uns in einer langjährigen Beziehung befinden oder ob wir gerade single sind. Wir lieben sie, solange wir mit der Beziehung glücklich sind, oder unser Single Dasein genießen … aber oh, wie schnell sich der Spieß umdrehen kann.

Eine Sache, die ich nicht ausstehen kann ist, wenn ich mich mit einem festen Freund streite und er sagt: „Hör auf, so ein Mädchen zu sein.“ Wie bitte? Was soll das denn heißen? Ich weine nicht, weil ich ein Mädchen bin, ich weine, weil du mich verletzt hast! Ich schreie nicht, weil ich ein Mädchen bin, ich schreie, weil du mich wütend machst! Die Aussage, dass ich „so ein Mädchen“ sei, untergräbt völlig meine individuelle Persönlichkeit und missachtet den Ernst der Situation. Ich möchte nicht mit der Gehirnlosen von nebenan, der verbitterten Frau von gegenüber un der nervigen Moderatorin im Fernsehen in einen Topf geworfen werden. Ich bin mehr als nur „ein Mädchen“! Ich bin ich! Hab ich Recht Mädels? Gebt mir ein Amen wenn ihr mich hört! Okay.
Wie kommt es dann, dass wir in unserem Kampf als wertvolle Indiviuden angesehen zu werden, die andere Seite so selbstverständlich verallgemeinern?

Die wahre Liebe der Männer gilt nur der Technik. Männer wollen nur das Eine. Männer reden nicht über ihre Gefühle. Männer können mit selbstsicheren Frauen nicht umgehen. Männer hören nicht zu …

Ich habe vor einigen Monaten einen sehr interessanten Artikel gelesen, über das Thema warum Amokläufer immer Männer sind. Anstatt auf die Idee zu pochen, dass Männer lediglich gewalttätiger seien als Frauen, meinte die Journalistin, es habe viel damit zu tun, dass Männer nicht die gleiche Revolution hatten wie wir Frauen. Die neue Entdeckung des Selbst. Das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Sichtweisen und Anforderungen. Und obwohl ich nicht glaube, dass die Antwort auf Amokläufe so simpel ist, hat sie meiner Meinung nach nicht ganz Unrecht.

Ja, wir mussten für unser Wahlrecht kämpfen. Ja, wir kämpfen immer noch für gleiche Bezahlung. Nein, kein Mann sollte entscheiden, was wir mit unseren Körpern machen. Und nein, kein Mann sollte uns zwingen, etwas zu tun, das wir nicht wollen. Frauen und Männer sollten gleichgestellt sein. Gleich. Das heißt Frauen sollten die gleichen Rechte haben wie Männer. Es bedeutet aber auch, dass Männer die gleichen Rechte haben sollten wie Frauen. Ich spreche nicht von Mitsprache und Geld. Ich spreche von unserem einfachen, alltäglich Verständnis dessen, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Denn wirklich, was bedeutet es, … heute … ein Mann zu sein?

Ich bin eine starke, unabhängige und stolze junge Frau und ich möchte gerne, dass du das erkennst. Aber wehe, du hälst mir die Tür nicht auf oder besitzt wirklich die Dreistigkeit, mich bei unserem ersten Date nicht einzuladen. Ich möchte einen Kerl, der sensibel ist, aber bitte kein Weichei. Sei ein Mann, aber bitte kein Fußball oder Hockeyfanatiker. Sei nett, aber nicht zu nett. Habe eine männliche Figur, aber verbringe nicht deine ganze Zeit im Fintnessstudio. Sei erfolgreich! Verdiene Geld! Kümmere dich um die Kinder! Koche für mich! Überrasche mich! Sei mein Prinz Charming, aber verbringe nicht mehr Zeit im Bad, als ich. Gib mir das Gefühl, begehrenswert zu sein, aber erwarte nicht, dass ich jedes Mal mit dir Sex habe, wann immer du es willst. Habe Sex mit mir, wann immer ich es will. Jetzt komm schon, mann, sei ein Mann!

Wir wollen einen „Eierlegende Wollmilchsau“ -Mann – eine Griechische Göttermischung so zu sagen - einen großen, belesenen, gut gebauten Adonis, mit dem Talent von Pan und den gefährlichen Tiefen des Hades, der das Gemüt von Hermes Harfe besitzt und wie Narziss nur für sich selbst, nur Augen für uns hat. Ist das wirklich zu viel verlangt?

Wir stempeln (zurecht) einen Mann als oberflächlich ab, der sagt, er will keine dicke Freundin haben. Und doch ist es andererseits vollkommen akzeptiert und verständlich wenn wir sagen, wir könnten nie mit jemandem zusammen sein, der zu dünn ist oder – Gott bewahre – kleiner als wir!
Wir entschuldigen uns dafür, mit um ein paar Jahre jüngeren Männern auszugehen, denn – jeder weiß – Frauen sind reifer als Männer. Männer, die weniger Geld verdienen als ihre Frauen, werden belächelt … na der hat ein Glück mit seiner Sugarmama wa'?!

Wir alle brauchen einen Sinn im Leben. Diesen Sinn erhalten wir oft durch die Rolle, die wir annehmen: die Lehrerin, der Künstler, die Mutter, der Unternehmer. Aber wie passen wir in das große Ganze? Frauen haben sich von der Idee, „einzig und allein“ Mutter und Hausfrau zu sein, frei gekämpft. Aber haben Männer sich wirklich von ihren Fesseln befreit? Es ist nicht so, dass Männer nicht zu kämpfen hätten. Doch vielleicht ist ihr Kampf nicht ganz so sichtbar.

Ich habe männliche Freunde, die wundervolle Partner sind. Die geduldig auf ihre Freundinnen gewartet haben und sie lieben. Und ich habe weibliche Freunde, die lügen und fremd gehen.
Ich habe Frauen getroffen, deren einziges Interesse es ist, wie sie aus einer jeden gegebenen Situation den besten Vorteil für sich selbst ziehen können und ich habe Männer getroffen, die ihre ganze Zeit daran setzen, für das Recht anderer zu kämpfen.
Ich kenne Frauen, die sexuell missbraucht oder belästigt wurden und ich weiß von ebenso vielen Situationen, in denen Frauen ihre erotischen Reize nicht nur ausgespielt, sondern auch angedroht haben, Falschaussagen gegen Männer zu machen, um zu bekommen, was sie wollten.
Ich habe gebrochene Frauenherzen und gebrochene Männerherzen gesehen. Ich habe einsame Frauen und einsame Männer gesehen. Es gibt kein pures schwarz und weiß. In jedem Yin ist ein Yang und in jedem Yang ist ein Ying.

Ich glaube schon, dass es Unterschiede gibt zwischen Männern und Frauen, aber wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass Ausnahmen die Regel bestätigen und dass es auch in Ordnung ist, unterschiedlich zu sein. Unterschiede sind eine Quelle des Wachstums, von der wir lernen können, uns gegenseitig zu helfen und uns zu ergänzen. Und wir sollten diese Unterschiede nicht dazu missbrauchen, um den gegenseitigen Wert und die gegenseitigen Gefühle nieder zu machen.
Ich liebe die Frauen und Männer in meinem Leben gleichauf wie, ich glaube, die meisten von uns. Lasst uns dieses Verständnis, das wir haben für Männer, die wir kennen auch auf die Männer übertragen, die wir nicht kennen.

Verfluche den Mann, der dich verlassen hat, nicht weil er ein Mann ist, sondern weil er kacke ist! Hasse deinen Boss, nicht weil er Mann ist, sondern weil er ein Idiot ist! Sei sauer auf unsere Politiker und Firmenchefs nicht weil sie Männer sind, sondern weil sie gierige, selbstsüchtige Bastarde sind!

Wir können nicht beim Anblick von Bauchmuskeln und Armen lechzen und sie verteufeln, wenn sie beim Anblick von Beinen lechzen. Also lasst uns aufhören, mehr von ihnen zu verlangen, als wir es von uns selbst tun. Lasst uns aufhören, von Männern zu erwarten, dass sie auf magische Weise wissen, was wir wollen und lasst uns sagen was wir wollen. Lasst uns aufhören, auf Prince Charming zu warten und lasst uns echte Menschen sehen. Lasst uns aufhören, alle Männer verantwortlich zu machen, für das, was ein Mann uns antut.

An der Art und Weise, wie das große Mädchen sagte: „So sind die halt, die Männer“, war offensichtlich zu erkennen, dass sie ein oder zwei Enttäuschungen hinter sich hatte und dass sie ihre Erfahrungen auf alle Männer projizierte. Es ist viel leichter zu sagen, dass Männer falsch sind, als sich selbst einzugestehen, den falschen Männern nachzulaufen. Das lässige Mädchen hatte Recht. Manchmal gibt es Missverständnisse. Manchmal verlieben wir uns und der andere eben nicht. Manchmal hört eine Person, die uns einmal geliebt hat, auf, uns zu lieben. Manchmal gibt es keine Bösewichte. Manchmal ist es einfach das Leben.
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    Die Autorinnen


    ​Lib Briscoe ist eine darstellende Künstlerin, Schriftstellerin, Lehrerin und Chorleiterin aus Philadelphia, USA. Sie wohnt derzeit bei Ravensburg in Deutschland.

    Lennora Esi ist eine darstellende Künstlerin und Schriftstellerin aus Ravensburg, Deutschland. Sie wohnt derzeit bei Ravensburg in Deutschland.

    Lektor: Manfred Bürkle

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